Bericht der 32. Fachdidaktik-Tagung des AK-BTA im VBIO
Zur 32. Fachdidaktik-Tagung "Digitales Labor - BTA 4.0“ trafen sich am 15. & 16. September 2016 über fünfzig Teilnehmerinnen und Teilnehmer von den bundesdeutschen Berufsfachschulen am Schulzentrum Utbremen-Europaschule (SZUT) in Bremen.
Im Rahmen der Begrüßungsveranstaltung stellte der Schulleiter Tobias Weigelt die breit gefächerten Bildungsgänge an dem SZUT dar. Seit über 40 Jahren können hier junge Menschen über attraktive Ausbildungen hinaus einen Berufsabschluss, die Fachhochschulreife oder das Abitur erlangen. Die sogenannte Doppelqualifikation, bei der die Schülerinnen und Schüler die Allgemeine Hochschulreife oder die Fachhochschulreife zusammen mit einem anerkannten Berufsabschluss erlangen, stellt dabei ein besonderes Angebot dar. Das SZUT ist aufgrund seines schulinternen Qualitätsmanagements „Qualität durch Entwicklung und Evaluation“ (QEE) über die Grenzen Bremens bekannt und beindruckt als MINT-freundliche Europa-Schule.
Im Folgenden eröffnete der Vorsitzende des AK-BTA Hartmut Böhm die Tagung, nicht ohne den lokalen Organisatoren zu danken und die Vertreter der Unternehmen sowie den Präsidenten des VBIO Herrn Prof. Bernd Müller-Röber herzlich zu begrüßen.
Schließlich wünschte Frau Hanne Birreck vom lokalen Organisationsteam allen Teilnehmern eine interessante Tagung mit anregenden Gesprächen und leitete zum Vortrag des Präsidenten des VBIO über.
Der Präsident des VBIO Herr Prof Bernd Müller-Röber berichtet vom sogenannten Genome-Editing.
Er stellte die Entwicklung von molekularen Werkzeugen, die präzise Veränderungen innerhalb des Genoms (Mutationen) von lebenden Zellen einfügen, historisch dar. In der Vergangenheit wurden vor allem die Zinkfingernukleasen und die transkriptionsaktivatorähnlichen Effektornukleasen (TALEN) gezielt eingesetzt, um Doppelstrangbrüchen innerhalb der DNA zu setzen und dadurch die Reparaturmechanismen der Zelle zu aktivieren. Heute wird das CRISPR (Clustered Regularly Interspaced Short Palindromic Repeats) und CRISPR-associated Protein (Cas), das normalerweise für das adaptive "Immunsystem" in verschiedenen Bakterien und Archaeen zuständig ist, eingesetzt. In Folge von CRISPR/Cas ist nicht mehr zu unterscheiden, ob eine Änderung der DNA (Mutation) zufällig oder durch Gene-Editing erfolgt. Daher wird die Diskussion über genveränderte Organismen erweitert werden müssen. Schließlich wies Herr Müller-Röber auch darauf hin, dass schon mit einfachen molekularbiologischen Kenntnissen mit diesem Handwerkszeug in jeder Garage eine gezielte Veränderung in einem Organismus durchgeführt werden kann. Welche Gefahren davon ausgehen, ist noch nicht abzuschätzen.
Nach einer kurzen Stärkung in der Kaffeepause wurden zum einen das Landesuntersuchungsamt für Chemie, Hygiene und Veterinärmedizin und zum anderen die Jacobs Universität Bremen besucht.
Das Landesuntersuchungsamt für Chemie, Hygiene und Veterinärmedizin (LUA) ist ein Laborbetrieb der Freien Hansestadt Bremen, in dem schwerpunktmäßig mikrobiologische und chemische Untersuchungen für die Bereiche Lebensmittelüberwachung, Veterinärdiagnostik sowie Wasser-/ Abwasser-/ Umweltanalytik durchgeführt werden. Im Besonderen ist das LUA auf die Kontrolle von Kaffee, Tee, Kakao, Schokolade sowie Fisch, Fischereierzeugnissen und Fischmehl (Futtermittel) spezialisiert, da nicht nur die Ein-, Aus- und Durchfuhr über die Häfen in Bremen/Bremerhaven, sondern auch die vielen Nahrungsmittelbetriebe in und um Bremen der Überwachung durch das LUA unterliegen. Schließlich bildet das LUA auch Biolaboranten aus. Biologen finden sich am LUA jedoch nicht. Neben vielen Aspekten zur Lebensmittelüberwachung erhielten die Teilnehmer vom Laborleiter den Tipp, dass der beste Kaffee am Gardasee in einer Bar mit Seeblick serviert wird.
Mehrere Großraumtaxis transportierten die Teilnehmer der Tagung bequem zur Jacobs Universität.
Die unabhängige Jacobs University ist eine private, englischsprachige Hochschule, die 1999 als International University Bremen auf dem 34 Hektar großen ehemaligen Kasernengelände, rund 17 Kilometer vom Stadtzentrum entfernt gegründet wurde. Heute leben 1253 Studenten aus 103 Nationen in vier Colleges auf dem Campus. Die Auswahl der Studierenden erfolgt rein nach Leistung. Jedoch beträgt die Studiengebühr pro Studienjahr 26.000 € inklusive Unterbringung und Verpflegung. Gemeinsam mit den jungen Menschen aus aller Welt lehren und forschen 67 Professorinnen und Professoren sowie 198 Mitarbeiter.
Die Jacobs University hat das Ziel, zur Lösung der globalen Probleme des 21. Jahrhunderts beizutragen. Im Fokus von Forschung und Lehre im Bereich Health steht daher unter anderem die interdisziplinäre Entwicklung von Lösungen für eine lebenswerte Welt. Konsequent legt die Jacobs-Universität Wert auf gemischt-nationale Studentenwohngruppen, in denen nicht nur der fachliche, sondern auch der kulturelle Austausch gefördert wird, was erheblich zum internationalen Campus-Flair beiträgt. Prestigeträchtig sind auch sportliche Wettkämpfe mit benachbarten Hochschulen, für die den Studenten sogar eine eigene Ruderhalle zur Verfügung steht. Trotz sehr gutem Ranking und sehr hohen Studiengebühren lebt die Jacobs-Universität nach 15 Jahren immer noch auf Basis der Anschub-Finanzierung durch die Jacobs-Stiftung.
Die sehenswerte, virtuelle Campustour ist sicher so an keiner anderen Universität zu finden. Professioneller geht es nicht.
Aus den verschiedenen Richtungen kamen die Teilnehmer dann wieder sternförmig im Speicher XI zu einer Führung durch das Hafenmuseum Bremen zusammen. Für die, die das verpasst haben, sei die virtuelle Museumstour empfohlen.
Die realen Exponate zeigten beim Gang durch die Dauerausstellung die 120 Jahre bremischer Hafengeschichte aber sehr viel lebendiger. Auf ihrem Rundgang durch das Hafenmuseum erfuhren die Teilnehmer das Hafenleben mit allen Sinnen, da die verschiedenen Warenproben, unter anderem das Fischmehl, prägend rochen und die Säcke schwer zu hieven waren. Ein begehbares Fußbodenmodell des Hafengebiets verdeutlichte die Entwicklung der bremischen Hafenwirtschaft bis heute. Die aufgewendete Energie des Museumsbesuches sorgte für den richtigen Appetit für das anschließende Abendessen im Port im Speicher IX.
Ein reicher Erfahrungsaustausch über die Biologisch-technische Ausbildung an den unterschiedlichen Berufsfachschulen und anregende Gespräche über die Chancen und aktuellen Entwicklungen der BTA bildeten für die Teilnehmer, den Landesvorsitzenden des VBIO Bremen Herrn Dr. Martin Meyer und den Präsidenten des VBIO einen gelungenen Abschluss des ersten Tages.
Der zweite Tag startete mit einem Einführungsvortrag des Abteilungsleiters Herrn Hannes Ischebeck in den Aufbau der Abteilung Naturwissenschaften/Technik und Informatik des Schulzentrum Utbremen. Die Theorie der unterschiedlichen Bildungsgänge wurde mit einer Führung durch die modernen Labore des SZUT in der Praxis belegt. Herr Dr. Stephan Gantner eröffnete die Vortragsreihe zum Thema digitales Labor mit dem Projekt über Goal-Based Learning in an Alternate Reality Setting (GLARS). In den nächsten drei Jahren wird die Rheinische Akademie gemeinsam mit der Rheinischen Fachhochschule und dem Cologne Game Lab der TH Köln im Rahmen von GLARS neue Unterrichtsformen für den Bildungsgang der BTA entwickeln und erproben. Hierbei werden durch den Einsatz digitaler Medien die berufsbezogenen Fachinhalte der BTA-Ausbildung spielerisch und lernwirksam aufgearbeitet. Nach Entwicklung und Erprobung könnte die digitale Lernumgebung allen BTA-Berufsfachschulen zur Verfügung gestellt werden.
Nicht ganz so spielerisch informierte das Ingenieurbüro Dr.-Ing. Schoop (Hamburg) über eine Software zur Fermentersimulation. Unter Einsatz der WinErs-Laborversion lief für alle leicht nachvollziehbar der Prozess in einem digitalen Fermenter ab, wobei die virtuelle Produktentstehung
und die eingestellten Parameter digital überwacht werden können. Mit der vorgestellten Software ist eine auf eine feste Signalanzahl beschränkte digitale Lösung für die BTA-Ausbildung am Fermenter vorhanden. Damit können eigene Projekte von der Prozessvisualisierung, über die Steuerung und Regelung bis zur Speicherung von Messwerten für die vollständige Automatisierung von kleinen Anlagen entwickelt werden, ohne dass dafür teure Substanzen vergeudet werden. Da ein beschleunigter Prozessablauf simuliert werden kann und auch alle Fehler erlaubt und reversibel sind, ist der Einsatz dieser Software im engen zeitlichen Korsett des BTA-Unterrichtes nahezu ideal.
Anschließend führte Herr Dr. Thomas Butterbrodt in die digitale Welt der Geldokumentationssysteme der Firma Bio-Rad ein. Er demonstrierte live, wie die innovativen Methoden bei der Herstellung von Gelen und auch die digitale Entwicklung der Dokumentationssysteme enormen Einfluss auf den Erkenntnisgewinn in der Molekularbiologie haben. Schließlich wurde auch in diesem Vortrag deutlich, dass die Verkürzung von Laufzeiten und die Integration der Dokumentation in digitale Labor-Informations- und Management-Systeme (LIMS) in Zukunft eine Herausforderung für die BTA-Ausbildung wird. Da die Kosten für den Einsatz dieser digitalen Systeme sinken und finanzielle Hindernisse auf dem Weg zur BTA 4.0 kleiner werden, verläuft der stetige Erwerb neuer Kenntnisse und Fertigkeiten für BTA im Bereich der LIMS schneller.
Einen geradezu fantastischen Blick in die Zukunft des Labors 4.0 gab Herr Dr. Simon Bungers (CEO & Co-Founder von labfolder, Berlin. Die grundsätzlichen Funktionen des elektronischen Laborbuchs auf Tablet oder Smartphone zur Erfassung von unterschiedlichen Labordaten werden zukünftig das gesamte Labormanagement von Bestellwesen bis Literaturrecherche und Organisation von Labormeetings umfassen, d. h. der digitale labfolder wird im Zentrum stehen. Das LIMS von labfolder regelt und steuert alle Laborgeräte und Prozesse im Labor 4.0. Es empfängt deren Daten, verarbeitet und analysiert diese in Protokollen und Diagrammen bis hin zu Veröffentlichungen. Herr Bungers zeigt dazu anhand von Bildern vom Projekt Nexygen, wie die Laboreinrichtung zunehmend durch die Digitalisierung geprägt werden wird.
Damit jeder Tagungsteilnehmer die Zukunft im Labor 4.0 selbstständig erfährt, gibt es die Möglichkeit, die laborfolder App kostenfrei für drei Nutzer in der BTA-Ausbildung einzusetzen. Wen sollte dieses Angebot nicht überzeugen?
Nach den Vorträgen und einer leckeren Stärkung tagten am Nachmittag die Mitglieder des AK-BTA im VBIO. Zu Beginn fasste der Vorstand die Aktivitäten des Jahres 2015/2016 zusammen. So wurde die Mitarbeit des AK-BTA am Bündnis TA kritisch beleuchtet und auf das kommende Jahrestreffen der fünf Verbände hingewiesen. Das Projekt der im letzten Jahr geforderten Webpräsenz www.biologisch-technische-ausbildung.de wurde von Frau Dr. Anja Yakelebe in einem Film vorgestellt und soll bis Ende des Jahres technisch umgesetzt werden. Der Youtube-Kanal des AK-BTA weist steigende Klicks auf. Schließlich ist der Miltenyi Biotec Preis eine der großen Erfolgsgeschichten des VBTA und AK-BTA im VBIO. Dieser bundesweite Preis, der für hervorragende Praktikumsarbeiten von BTA-Auszubildenden verliehen wird, zeigt ebenfalls öffentlichkeitswirksam die hohe Qualität der BTA-Ausbildung. Über die weiteren Aktivitäten des VBTA informierte anschließend die erste Vorsitzende des VBTA, Frau Dr. Nicole Lindemann.
Der Vorstandsvorsitzende des AK-BTA dankte dem Vorstandsmitglied Herrn Dr. Wolfram Müller für seine jahrelange, exzellente Vorstandsarbeit. Obwohl Herr Müller ein Mitglied des AK-BTA bleiben wird und Herr Dr. Dirk Engels seine Funktionen im Vorstand übernommen hat, hinterlässt Herr Müller als Gründungsmitglied des AK-BTA eine große Lücke im Vorstand.
In Zukunft wird der AK-BTA das Ziel: BTA 4.0 durch die Themen des Qualitätsmanagements in biologischen Laboren und Entwicklungen des sogenannten digitalen Labors weiter in den Focus stellen. Die Öffentlichkeitsarbeit für die BTA-Ausbildung wird durch eine neue Broschüre mit dem Titel „Erfolgsgeschichten BTA“ verstärkt werden. Alle Details der Sitzung und zur nächsten Fachdidaktik-Tagung 2017 sind dem Protokoll der Sitzung zu entnehmen.
Für die entsprechenden Bilder zur Tagung bedanken wir uns bei Frau Katrin Bahloul vom SZUT, Frau Dr. Nicole Lindemann vom VBTA und Frau Dr. Anja Schlotzhauer von den SBS. Alle Bilder findet man in der Bildergalerie zur diesjährigen Tagung.
Ganz besondere Anerkennung gilt Frau Hanne Birreck und ihren Mitarbeitern sowie den Auszubildenden am SZUT für die exzellente Organisation der Veranstaltung.
26.9.2016
Dr. Hartmut Böhm